Mit radikalen Ideen und Wasserstoff wollen sich Flugzeugbauer und Airlines neu erfinden

Mit radikalen Ideen und Wasserstoff wollen sich Flugzeugbauer und Airlines neu erfinden

Airbus will Kerosin durch Wasserstoff ersetzen – Konkurrent Boeing ist skeptisch. Fluggesellschaften wie die Lufthansa bereiten sich auf den Wandel vor. 

Wasserstoff-Flugzeuge

Die Luftfahrt steht in Sachen Klimaschutz unter besonders hohem Druck.

New York, Frankfurt Flugzeuge, aus denen nur noch Wasserdampf in die Atmosphäre strömt – was für eine Verheißung. Tatsächlich arbeitet der Flugzeugbauer Airbus seit dem vergangenen Jahr an der Umsetzung. „Wasserstoff ist eine der vielversprechendsten Technologien“, sagt Airbus-Chef Guillaume Faury.

Das Problem: Die technischen Lösungen für einen Umstieg auf Wasserstoff sind bislang nur im Ansatz vorhanden. Zudem ist die gesamte Infrastruktur in der Luftfahrt noch auf kerosinbetriebene Antriebe ausgerichtet. Sicher ist: Der Wechsel auf Wasserstoff wird langwierig und teuer. Das schreckt beispielsweise den Airbus-Erzfeind Boeing ab – noch.

Denn die Luftfahrt steht unter Handlungsdruck. Sie steuert laut einer internationalen Studie einen Anteil von 3,5 Prozent zum menschgemachten Klimawandel bei. Dabei wirken die CO2-Emissionen in großer Höhe, wo sie nach neuesten Erkenntnissen besonders viel Schaden für das Klima anrichten.

Was also tun? Anders als in der Automobil-Industrie kommen batteriebetriebene Antriebe wegen des hohen Gewichts der Akkus für größere Verkehrsflugzeuge kaum infrage. Das macht eine Lösung des Problems so kompliziert. Und rückt den Wasserstoff in den Fokus der Entwickler und Tüftler – am besten natürlich der grüne, also der mit Ökostrom produzierte Wasserstoff.

„Wasserstoff ist mit Abstand die beste Lösung, um das Ziel von Zero Emissionen zu erreichen“, sagt Analyst Sash Tusa von Agency Partner. „Es muss etwas getan werden. Sonst wird Fliegen politisch und gesellschaftlich nicht mehr akzeptabel sein.“

Wasserstoff zur Herstellung von künstlichem Kerosin

Aktuell evaluiert Airbus vier Ansätze. Drei Modelle sind Flugzeuge mit einem sogenannten hybridelektrischen Antrieb. Darunter befindet sich ein Regionalflugzeug mit einem Turboprop-Antrieb, ein Jet in der Größe der A320-Familie und ein sogenannter Blended Wing Body, eine Art Nurflügler.

Bei allen drei Modellen gibt es wie bisher Gasturbinen, die modifiziert sind und mit Wasserstoff angetrieben werden. Da Wasserstoff an Bord ist, überlegt Airbus parallel Brennstoffzellen zu installieren. Sie könnten Strom liefern, die beim Start und beim Steigflug die Gas-Turbinen mit zusätzlicher Energie versorgen.

Das vierte Konzept ist das radikalste. Es ist eine klassische Flugzeugröhre mit Flügeln, unter denen sich sechs Antriebseinheiten, sogenannte „Pods“, befinden. Jede für sich ist ein komplett unabhängiger Turboprop mit einem eigenen Wasserstoff-Tank, einer Brennstoffzelle, der Kühlung, dem Motor sowie der elektrischen Steuerung.

Aktuell dürfte diese Lösung die aussichtsreichste sein. Denn die Ingenieure stehen vor einem großen Problem. Wasserstoff hat eine deutlich niedrigere Energiedichte als Kerosin, man braucht also mehr davon an Bord. Der Platz in den Flügeln reicht nicht.

Einzige Ausnahme: das Blended-Wing-Modell. Hier ist mehr Platz für den „Stoff“. Das Problem: Die Zertifizierung einer solch radikal neuen Konstruktion würde lange dauern, denn die Flugeigenschaften einer solchen Maschine sind nicht erprobt. Deshalb spricht aktuell viel für die „Pod-Version“.

Nach einer Evaluierungsphase will Airbus spätestens 2025 entscheiden, ob die milliardenschwere Entwicklung eines Serienflugzeugs beginnen kann und welche Technologie-Elemente zum Einsatz kommen. Ein erster Prototyp in realer Größe soll dann Ende des Jahrzehnts stehen, 2035 der Linien-Betrieb starten.

Wasserstoff ermöglicht bei Flugzeugen leichtere Motoren

Dabei sind die Airbus-Entwickler noch auf eine andere pfiffige Idee gekommen. Da Wasserstoff an Bord ist, der bei minus 253 Grad gelagert werden muss, können sie sogenannte Supraleiter einsetzen. Diese Werkstoffe brauchen solche Tieftemperaturen, sie sind vereinfacht ausgedrückt elektrische Verbindungen ohne jeglichen Widerstand. Die verfügbare Energie kann verlustfrei zum Motor geleitet werden.

Dadurch erhöht sich die Leistungsdichte des gesamten Systems bei niedrigerem Gewicht. Airbus hofft, so die künftigen Systeme zwei- bis dreimal leichter machen zu können als heutige Flugzeugturbinen.

Gleichzeitig stellt der Branchenkenner Tusa klar, dass es extrem schwierig und teuer wird, die neue Technologie und die dazugehörige Infrastruktur zu entwickeln. „Es geht hier um brutal hohe Investitionen, die höchsten Investitionen in die zivile Luftfahrt seit den 50er-Jahren“, so der Analyst.

Solche Ausgaben können wohl nur große Konzerne stemmen wie Boeing, Airbus sowie die Hersteller aus China und Russland, die von ihren Regierungen unterstützt werden. „Es kostet rund 15 Milliarden Dollar, um ein normales Flugzeug mit 150 Sitzen zu entwickeln und in die Produktion zu bringen“, erklärt Tusa. Bei der Wasserstoff-Technologie dürfte diese Summe deutlich höher ausfallen.

Boeing zweifelt an Wasserstoff

Doch während Airbus emsig an Konzepten forscht, ist es bei Boeing rund um den „Stoff der Zukunft“ auffällig ruhig. Zwar hat der US-Konzern bereits 2008 mit dem Zweisitzer Dimona einen Wasserstoff-Flieger entwickelt, der in Spanien geflogen ist. Vier Jahre später folgte das unbenannte Aufklärungsflugzeug „Phantom Eye“, betrieben mit flüssigem Wasserstoff.

Doch Brian Yutko, Chef-Ingenieur bei Boeing für Nachhaltigkeit und Zukunftsmobilität, ist skeptisch: „Wir haben einige starke Zweifel, ob Wasserstoff wirklich in einem relevanten Maß auf Langstreckenflügen in der Luftfahrt genutzt werden kann, um damit bis 2050 CO2-neutral zu sein.“

Boeing habe bei seinen Versuchen die großen Herausforderungen gesehen. „Die Technologie ist noch nicht so weit, um in der zivilen Luftfahrt in relevantem Maß sicher eingesetzt zu werden“, ist der MIT-Ingenieur Yutko, der zuvor bei Aurora an elektrischen autonomen Flugzeugen gearbeitet hat, überzeugt.

Analyst Tusa glaubt noch eine andere Begründung für Boeings Zurückhaltung zu kennen. Der Airbus-Konkurrent habe mit der Unglücksmaschine 737 Max, den Problemen beim Dreamliner und seinen Milliardenverlusten genug zu tun. „Airbus hat das Glück, dass sie dieses Risiko eingehen können, weil sie nicht so viele dringende Probleme wie ihr Konkurrent haben“, sagt er. „Sollte Airbus mit seinen Wasserstoff-Plänen erfolgreich sein, würde das einen enormen Druck auf Boeing ausüben, die dann eineinhalb Jahrzehnte hinterher wären.“

Bill Gates unterstützt Start-up ZeroAvia

Val Miftakhov ist gerade auf dem Weg zum Flughafen, als er mit dem Handelsblatt spricht. Er sei auf dem Weg nach England, erzählt er. Dort will der Gründer und CEO von ZeroAvia die nächste Testrunde seiner mit Wasserstoff betriebenen Flugzeuge begleiten. Bei vier der geplanten 20 Flüge will der Physiker und Hobby-Pilot aus Kalifornien selbst am Steuer sitzen.

Miftakhov ist Teil einer ganzen Reihe von Unternehmensgründern, die an der Zukunft der Luftfahrt arbeiten. Zu seinen Investoren gehören die Milliardäre Bill Gates und Li Ka Shing, Investor aus Hongkong. Aber auch namhafte Wagniskapitalgeber wie Horizon Ventures oder ShellBritish Airways und Amazon sind dabei.

Miftakhov, ehemaliger Google-Manager und McKinsey-Partner, hat bereits ein E-Auto-Start-up gegründet. „Aber bei Flugzeugen war uns schnell klar, dass Batterien nicht die Lösung sein können“, erklärt der in Russland aufgewachsene Ingenieur: „Die beste Lösung ist, Wasserstoff an Bord zu bringen, ihn dort mit Brennstoffzellen umzuwandeln und das Triebwerk damit zu betreiben.“

Noch gebe es keine Verträge mit Fluggesellschaften, aber mehrere Absichtserklärungen. Da ZeroAvia bisher vor allem 20- und 50-Sitzer entwickelt hat, kommen diese vor allem als Ersatz für kleine Regionalflieger infrage, die viele Airlines in ihrer Flotte haben.

er aber lässt sich wegen seines großen Volumens nur schwer speichern. Die Entwickler konzentrieren sich daher zunächst auf die Entwicklung von kleineren Flugzeugen mit einer Kapazität für 100 bis 150 Passagiere. Bei diesen sogenannten Kurzstreckenflugzeugen mit geringen Reichweiten scheinen die technischen Probleme halbwegs beherrschbar zu sein.

„Wasserstoff ist mit Abstand die beste Lösung, um das Ziel von Zero Emissionen zu erreichen“, sagt Analyst Sash Tusa von Agency Partner. „Es muss etwas getan werden. Sonst wird Fliegen politisch und gesellschaftlich nicht mehr akzeptabel sein.“

Wasserstoff zur Herstellung von künstlichem Kerosin

Aktuell evaluiert Airbus vier Ansätze. Drei Modelle sind Flugzeuge mit einem sogenannten hybridelektrischen Antrieb. Darunter befindet sich ein Regionalflugzeug mit einem Turboprop-Antrieb, ein Jet in der Größe der A320-Familie und ein sogenannter Blended Wing Body, eine Art Nurflügler.


Bei allen drei Modellen gibt es wie bisher Gasturbinen, die modifiziert sind und mit Wasserstoff angetrieben werden. Da Wasserstoff an Bord ist, überlegt Airbus parallel Brennstoffzellen zu installieren. Sie könnten Strom liefern, die beim Start und beim Steigflug die Gas-Turbinen mit zusätzlicher Energie versorgen.

Das vierte Konzept ist das radikalste. Es ist eine klassische Flugzeugröhre mit Flügeln, unter denen sich sechs Antriebseinheiten, sogenannte „Pods“, befinden. Jede für sich ist ein komplett unabhängiger Turboprop mit einem eigenen Wasserstoff-Tank, einer Brennstoffzelle, der Kühlung, dem Motor sowie der elektrischen Steuerung.

Aktuell dürfte diese Lösung die aussichtsreichste sein. Denn die Ingenieure stehen vor einem großen Problem. Wasserstoff hat eine deutlich niedrigere Energiedichte als Kerosin, man braucht also mehr davon an Bord. Der Platz in den Flügeln reicht nicht.

Einzige Ausnahme: das Blended-Wing-Modell. Hier ist mehr Platz für den „Stoff“. Das Problem: Die Zertifizierung einer solch radikal neuen Konstruktion würde lange dauern, denn die Flugeigenschaften einer solchen Maschine sind nicht erprobt. Deshalb spricht aktuell viel für die „Pod-Version“.

Nach einer Evaluierungsphase will Airbus spätestens 2025 entscheiden, ob die milliardenschwere Entwicklung eines Serienflugzeugs beginnen kann und welche Technologie-Elemente zum Einsatz kommen. Ein erster Prototyp in realer Größe soll dann Ende des Jahrzehnts stehen, 2035 der Linien-Betrieb starten.

Wasserstoff ermöglicht bei Flugzeugen leichtere Motoren

Dabei sind die Airbus-Entwickler noch auf eine andere pfiffige Idee gekommen. Da Wasserstoff an Bord ist, der bei minus 253 Grad gelagert werden muss, können sie sogenannte Supraleiter einsetzen. Diese Werkstoffe brauchen solche Tieftemperaturen, sie sind vereinfacht ausgedrückt elektrische Verbindungen ohne jeglichen Widerstand. Die verfügbare Energie kann verlustfrei zum Motor geleitet werden.

Dadurch erhöht sich die Leistungsdichte des gesamten Systems bei niedrigerem Gewicht. Airbus hofft, so die künftigen Systeme zwei- bis dreimal leichter machen zu können als heutige Flugzeugturbinen.

Gleichzeitig stellt der Branchenkenner Tusa klar, dass es extrem schwierig und teuer wird, die neue Technologie und die dazugehörige Infrastruktur zu entwickeln. „Es geht hier um brutal hohe Investitionen, die höchsten Investitionen in die zivile Luftfahrt seit den 50er-Jahren“inen fliegen schon“, sagt Miftakhov. Auch könne man die Antriebe in einem ersten Schritt in bestehende Flugzeuge einbauen. „Später wird das Design von Flugzeugen wahrscheinlich anders, futuristischer aussehen“ prophezeit er.

Analyst Tusa sieht solche Aussagen allerdings eher skeptisch. „Den Start-ups wünsche ich viel Glück. Aber ich schaue mir das ehrlich gesagt nicht einmal an“, sagt er. Angesichts der hohen Entwicklungskosten sieht er für Jungunternehmen maximal bei der Infrastruktur rund um den Wasserstoff einen Markt.

Nespresso fürs Tanken

Den Ratschlag hat sich Universal Hydrogen zu Herzen genommen. Neben Antrieben will es Flugzeuge auch an entlegenen Flughäfen mit Wasserstoff versorgen. Im Verwaltungsrat des Unternehmens mit Sitz in Los Angeles sitzt seit Februar der ehemalige Airbus-Chef Tom Enders.

Die Idee: Wasserstoff-Flaschen, die aussehen wie herkömmliche Gasflaschen, werden von normalen Gepäck-Fahrzeugen zu den Flugzeugen transportiert. Der Vorteil: Die Flughäfen müssen keine eigene aufwendige und teure Tank-Infrastruktur aufbauen. „Unser Modell ist der Nespresso des Wasserstoffs“, sagt Jon Gordon, einer der Mitgründer. Eine Fluggesellschaft fliege im Durchschnitt 40 bis 50 verschiedene Airports an. Nicht an jedem könne es eine Elektrolyse-Station für Wasserstoff geben.

„Viele Spieler im Markt haben Sorge, dass es zu schwierig ist, den Wasserstoff an alle Flughäfen zu liefern. Wir machen es ihnen ganz einfach“, sagt er: „Wir übernehmen die Logistik: Wir liefern die Flaschen und wir nehmen die alten wieder mit.“

Lufthansa beginnt mit Vorbereitungen zum Thema Wasserstoff

Auch bei Lufthansa Technik beschäftigt man sich seit Kurzem intensiv mit der Frage, wie der Wasserstoff am besten zum Flugzeug gelangt und wie solche technologisch komplett neuen Maschinen fit gehalten werden können. Ohne Infrastruktur am Boden und ohne Wartung werde kein mit Wasserstoff betriebenes Flugzeug abheben, sagt Christoph de Beer, bei der Lufthansa-Tochter für politische Beziehungen und das Thema Wasserstoff zuständig.

„Wenn 2030 das erste Testflugzeug abhebt und 2035 der kommerzielle Betrieb starten soll, dann ist der Zeitdruck groß. Wir müssen also jetzt anfangen“, sagt de Beer. Lufthansa Technik werde deshalb in Kooperation mit Partnern einen Demonstrator aufbauen. „Ein Flugzeug, in das wir eine Brennstoffzelle und einen Wasserstofftank einbauen, um dann Bodenprozesse sowie Reparatur- und Wartungstechnologien zu erproben.“ Die Gespräche mit den potenziellen Partnern seien bereits weit fortgeschritten.

Viele Technologien müssten erst entwickelt werden, so de Beer. Diese wolle man dann direkt am Demonstrator testen und gegebenenfalls anpassen und verändern. Und er weist dabei auf einen Aspekt hin, der für alle Lösungen der Schlüssel ist: „Das Ganze muss auch wirtschaftlich sein, sonst werden die Fluggesellschaften diese Technologie nicht nutzen.“

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