"WASSERSTOFF FEHLT EIN FUNKTIONIERENDER MARKT"

Berlin (energate) - Wie steht Deutschland sieben Monate nach Verabschiedung der Nationalen Wasserstoffstrategie da? Welche Perspektiven bieten sich für Wasserstoff im Verkehrssektor? Darüber sprach energate mit Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Chef der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW).

energate: Herr von Knobelsdorff, vor sieben Monaten wurde die Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Wie bewerten Sie die Entwicklung bislang?

von Knobelsdorff: Das Thema hat mit dieser ressortübergreifenden Einigung auf strategische Ziele eine ganz andere Dynamik gewonnen. Das zeigt uns auch das Interesse an der Deutschen Wasserstoffvollversammlung. Sie ist sie mit rund 3500 Teilnehmern die mit Abstand größte Konferenz zu dem Thema bislang. Die Überzeugung, dass Wasserstoff der Schlüssel zur sektorübergreifenden Dekarbonisierung des Energiesystems sein kann, ist auf allen Ebenen angekommen. Diese Dynamik, die noch verstärkt wird durch die Aktivitäten der EU und international müssen wir jetzt nutzen, um die Wasserstoffwirtschaft tatsächlich in Gang zu setzen. Wir brauchen Serienproduktion und Skaleneffekte, wir brauchen den regulatorischen Rahmen für funktionierende Geschäftsmodelle. Der politische Wille und die finanziellen Mittel sind da. Jetzt müssen die Förderprogramme umgesetzt und die gesetzlichen Stellschrauben entschlossen betätigt werden. Erste Schritte sind mit der Umsetzung der RED II und der EEG-Novelle getan, weitere müssen schnell folgen.

energate: Ein Schwerpunkt des Einsatzes von Wasserstoff soll im Verkehr liegen. Sehen Sie hier ausreichende Anreize für die Technologie?

von Knobelsdorff: Vor allem sehe ich für viele Segmente des Verkehrssektors gar keine ernsthafte Alternative zu Wasserstoff, wenn man ihn dekarbonisieren will, woran aus Klimaschutzgründen kein Weg vorbeiführt. Die Technologie ist überzeugend und sie funktioniert nachweislich. Sie zur Marktreife gebracht zu haben ist unter anderem das Verdienst des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP2) und dabei vor allem des BMVI. Der Technologie fehlt - und das nicht nur im Verkehr - ein funktionierender Markt. Den Komponenten fehlt der Skaleneffekt durch Massenproduktion, deswegen ist ein Brennstoffzellenfahrzeug nach wie vor deutlich teurer als ein Verbrenner. Und der grüne Wasserstoff als Kraftstoff ist ohne eine angemessene CO2-Bepreisung noch nicht konkurrenzfähig zu den fossilen Kraftstoffen.

energate: Was muss passieren?

von Knobelsdorff: Diese ungünstige Situation aufzulösen, ist Aufgabe der Politik – und sie kommt ihr nach: die Mehrkosten der Fahrzeuge werden über Förderprogramme aufgefangen. Die entsprechenden Richtlinien für Nutzfahrzeuge, Busse und Schienenfahrzeuge kommen alle in absehbarer Zeit. Und um die Produktion von grünem Wasserstoff anzureizen, ist der Verkehrssektor, insbesondere der Straßenverkehr, der geeignete Startpunkt. Hier ist durch bereits existierende CO2-Reduktionsvorgaben eine viel höhere Zahlungsbereitschaft vorhanden, als in anderen Sektoren. Durch vergleichsweise einfache Maßnahmen kann diese Zahlungsbereitschaft in den Aufbau von Elektrolysekapazität für grünen Wasserstoff umgeleitet werden. Hier muss allerdings noch mehr passieren.

energate: Wie steht Deutschland bei Mobilitätsanwendungen mit Wasserstoff im internationalen Vergleich da?

von Knobelsdorff: Deutschland verfügt für den Straßenverkehr über eines der größten Wasserstofftankstellen-Netze der Welt, das uns erlaubt, ein Startmarkt für die Wasserstoff-Mobilität mit Pkw zu sein. Wir müssen dieses Netz weiter ausbauen und wir müssen es gleichzeitig für die Betankung von Nutzfahrzeugen ertüchtigen. Jetzt ist die Chance, frühzeitig ein gemeinsames EU-weites Konzept dafür zu erarbeiten, denn die Fahrzeuge werden in großer Zahl wohl erst in der zweiten Hälfte der Dekade kommen. Umso wichtiger ist es, die nächste Zeit entschlossen für die Klärung der Frage der Betankungstechnologie für die Langstrecken- LKW, der dafür nötigen technischen Normen und Standards und den darauf basierenden Aufbau der Tankinfrastruktur zu nutzen.

energate: Welche Perspektiven hat der Wasserstoff-Antrieb im PKW?

von Knobelsdorff: Ich bin ziemlich sicher, dass auch der Wasserstoff-Pkw sein Marktsegment in Deutschland finden wird und die deutschen Hersteller ihn über den "Umweg" der Nutzfahrzeuge wieder aufgreifen werden. Denn eine Wasserstoff-Betankungsinfrastruktur wird es so oder so geben. Gerade für Viel- und Langstreckenfahrer kann der Brennstoffzellen-Pkw eine Alternative zum Batteriefahrzeug sein. Und international hat der Brennstoffzellen-Pkw ohnehin eine gute Perspektive, weil in vielen Regionen der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für batterieelektrische Mobilität auch langfristig kaum machbar scheint. Aber auch in diesen Regionen muss der Verkehr dekarbonisiert werden.

Link: https://www.energate-messenger.de/news/209123/-wasserstoff-fehlt-ein-funktionierender-markt-

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